Im Wal zu Askalon oder Geh, brich auf, suche!
Im „Wal“, einer Herberge der jüdischen Stadt Askalon an der Mittelmeerküste, treffen sie zufällig zusammen: ein jüdischer Gelehrter namens Habakuk, ein großgewachsener und reicher äthiopischer Stammesfürst mit Namen Muhamed und ein alter indischer Weiser und Magier, Ganguly. In Griechisch, der Weltsprache der damaligen Zeit, kommen sie miteinander radebrechend ins Gespräch, erzählen einander von ihrer Herkunft und von dem, was sie machen. Als sie alle drei einmal nach draußen gehen, um nach ihren Tieren zu sehen, ist ein sternenübersäter Himmel über ihnen, an dem ein besonderer Stern hell leuchtet – und alle drei erkennen ihn als „ihren“ Stern, dem sie von zuhause bis hierher gefolgt sind. Als sie wieder drinnen am Tisch sitzen, wissen sie, dass sie ein gemeinsames Geheimnis tragen und sie erzählen nun einander von dem, was in ihnen vorgegangen war in den Wochen der Entdeckung dieses Sterns, dem In-sich-Hineinhorchen und der Stimme, die in ihnen nicht mehr verstummt ist seither: Geh, brich auf, suche!
So beginnt die Dreikönigslegende „Es war im Wal zu Askalon“ von Rudolf Hagelstange. Die drei so unterschiedlichen Männer reisen nun gemeinsam weiter von Askalon nach Jerusalem, wo sie für Aufsehen sorgen, sie werden Herodes vorgeführt, der sie aushorcht; sie setzen ihren Weg fort, finden in Betlehem die kleine Familie des Zimmermanns aus Nazaret und helfen, angeführt von Muhamed, den von Herodes Bedrohten bei ihrer Flucht nach Ägypten. So weit entspricht diese Legende in etwa dem knappen biblischen Bericht, natürlich ausgemalt in den Personen und ihren Gesprächen, und alles mit vielen biblischen Zitaten durchaus humorvoll und mit Liebe zum Detail erzählt. Aber es wäre keine Legende, wenn nicht noch etwas hinzu käme, was so nicht bei Matthäus steht:
Es sind nämlich noch zwei weitere Männer aufgebrochen, als sie diesen besonderen Stern leuchten sahen: Irrbit, ein Skythe aus der Gegend des Schwarzen Meeres, und Kolonat, ein Kelte, der es bei den römischen Soldaten am Rhein zum Weinhändler brachte. Aber die beiden schaffen es nicht bis Betlehem; der eine bleibt beim Wein hängen, der andere findet eine Frau und wird Vater eines Kindes. Und seine Frau nimmt ihn an der Hand und führt ihn zu diesem ihrem Kind und sagt: Hier ist dein Gott. – Nicht alle also, die sich aufmachen und einem Stern folgen, gelangen nach Betlehem; sie finden eine Heimat, eine Aufgabe und werden glücklich damit. Das sagt die Legende.
Aber die Botschaft des Epiphaniefestes handelt von drei Menschen, die den wahren Gott gefunden haben. Wir stellen sie gern besonders heraus, dabei sind die Evangelien voll von Menschen, die, wie diese drei, in sich hinein horchten und das „Geh, brich auf, suche!“ hörten. Das fängt schon bei den Hirten auf den Feldern rund um Betlehem an und reicht bis unter das Kreuz, wo der heidnische Hauptmann erkennt, wer dieser Gekreuzigte in Wirklichkeit ist. Es bedarf also nicht immer langer Wege; manchmal ist es nur eine kurze Begegnung, die einen Menschen, der am Zoll sitzt oder seine Fischernetze flickt, erkennen lässt: In diesem Jesus ist mehr, als mir meine Arbeit, mein Alltag gibt. Es ist manchmal auch ein innerer Aufbruch, ein Ruck , der durch das Leben geht.
Interessant sind in der Legende „Es war im Wal zu Askalon“ die beiden Männer, die auch den Stern gesehen haben, die aufbrechen – aber nicht weit kommen. Nicht, dass das, was sie für sich gefunden haben – den Weinhandel der eine, eine Frau und eine Familie der andere – keine lohnenden und beglückenden Ziele gewesen wären. Aber letztlich sind sie dafür nicht aufgebrochen. In ihnen ist das „Geh, brich auf, suche!“ sehr rasch von der Wirklichkeit des Alltags erstickt worden.
In uns allen wurde das Wort von Jesus, der in Wirklichkeit der Sohn Gottes ist, auch hineingesät. Manche Dornen des Alltags mögen es überwuchert haben. Aber vielleicht spüren wir auch noch die Sehnsucht nach dem „Mehr als nur den Alltag“. Wir müssen dazu nicht aufbrechen und weit weg ziehen – aber uns einen innerlichen Ruck geben, dass wir erkennen und sagen können: Wahrhaftig, dieses Kind, dieser Mensch ist Gottes Sohn! – Und danach leben.