Marion Röbkes | Religion, Ernährung und Gesellschaft.
Marion Röbkes
Religion, Ernährung und Gesellschaft.
Ernährungsregeln und -verbote in Christentum, Judentum und Islam
Diplomica-Verlag, Hamburg 2013
Pb., 113 S.,
ISBN 978-3-8428-9311-5
39,99 Eur[D] / 39,99 Eur[A] / 50,00 CHF UVP
Vor allem in größeren Städten sind Kindergartengruppen und Schuklassen mitunter „kleine multiethnische und multikonfessionelle Gemeinschaften“, deren jeweiliges Ernährungsverhalten zu bestimmten Gelegenheiten (Grillabende, Geburtstagsfeiern u. a.) zutage tritt. Vielfach wird es den Menschen erst dadurch bewusst, dass es religiös motivierte Ernährungsregeln gibt. Doch wie wirken diese heute noch in unsere Gesellschaft hinein, die weitgehend säkularisiert erscheint? Die Autorin, Kulturwissenschaftlerin, Soziologin und Psychologin, geht dieser Frage nach, wobei sie nicht einfach diese Regeln nachzeichnet, sondern sie im soziologischen Zusammenhang betrachtet. Religion drückt sich ja in verschiedenen Formen (Glaube, Spiritualität, Rituale u.a.m.) aus, die das Essen betreffen; gleichzeitig kann die religiöse geprägte Gestaltung des Essen von unterschiedlichen Zusammenhängen auf der Makro-Ebene (z. B. Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln) bis hin zur persönlichen Mikro-Ebene (z. B. Allergien) beeinflusst erscheinen.
Eine wie immer gestaltete religiöse Ordnung der Ernährung – die zumeist aus Verboten (du sollst nicht) und weniger aus Geboten (du sollst) besteht – besagt noch nichts über das Ob und Wie der Einhaltung: „Weder existieren Zahlen darüber, wie viele Gläubige der jeweiligen Religion die traditionell überlieferten Speisevorschriften in ihrem Leben beachten – geschweige denn, ob die älteren Generationen dies häufiger tun als die jüngeren Generationen – und aus welchen möglichen Motivationen heraus. Noch wissen wir, welchen Aufwand die Gläubigen betreiben müssen, um sich ihrer Religion entsprechend ernährungskonform verhalten zu können. Müssen sie die Waren teuer beschaffen? Versuchen sie, die nicht erhältlichen Speisen zu substituieren? Haben sie eventuell doch mit den alten Traditionen gebrochen, weil die Umsetzung der Speisevorschriften ihnen mit ihren Mitteln oder ihrer Umgebung nicht möglich war?“
Das sind in der Tat Fragen, die im Zusammenhang der religiösen Kulinaristik viel zu selten gestellt werden. Juden ernähren sich koscher, so hört und liest man, aber wie sieht das tatsächlich im Alltag aus?
Ca. 65-66% der deutschen Bevölkerung gehören einer Religionsgemeinschaft an, unter denen das Christentum in seinen verschiedenen Ausprägungen und der Islam zahlenmäßig am stärksten vertreten sind. Judentum und Islam regeln die Ernährung teilweise bis ins Einzelne gehend, während das Christentum (bis auf die Siebenten-Tages-Adventisten) keine aus der biblischen Überlieferung herstammende relevante Nahrungsvorschriften macht (wenn man das Verbot des Götzenopferfleisches für heute außer acht lässt …); die Fasten- und Abstinenzregelungen, die die Autorin heranzieht, sind kirchlicher Natur, von daher nur bedingt mit den Nahrungsvorschriften anderer Religionen vergleichbar.
In der Behandlung der christlichen Fastenzeit hat die Darstellung leider Schwächen; die sich wandelnden Fastenvorschriften bzw. unterschiedlichen Handhabung in den Konfessionen werden zu unscharf dargestellt – im wahrsten Sinne des Wortes: ein eingescannter Fastenkalender der russisch-orthodoxen Kirche etwa ist kaum lesbar … Auch die Unterschiede der Fasten-Zeiten innerhalb der orthodoxen Kirchen (z. B. griechisch-/russisch-orthodox) werden nicht deutlich. Ein freiwilliges Fasten am Mittwoch ist innerhalb der katholische Kirche zwar nicht verboten, aber längst nicht mehr angeordnet. Dennoch ist eine Synopse über die ernährungsgeprägten Tage in den Jahren 2013 bis 2014 in den drei monotheistischen Religionen sehr aufschlussreich. So gibt diese Arbeit den Anreiz, den Fragen und konkreten Regelungen der religiös motivierten Ernährung weiter nachzuspüren.