Martin Friz | Brich den Hungrigen Dein Brot. Die Stuttgarter Vesperkirche
Martin Friz
Brich den Hungrigen Dein Brot.
Die Stuttgarter Vesperkirche
2. überarbeitete und erweiterte Auflage
Verlag Fleischhauer + Spohn, Bietigheim-Bissingen 2005
ISBN 3-87320-779-7
14,90 Euro
Seit Mitte der 90er Jahre wird die evangelische St. Leonhardkirche in Stuttgart im Januar für mehrere Wochen umgestaltet: Die Kirchenbänke verschwinden zugunsten von Tischen und Stühlen. Bis zu tausend Menschen, täglich, Obdachlose zumeist, haben hier nun einen Ort, an dem sie nicht nur eine warme Mahlzeit erhalten, sondern sich austauschen können, so etwas wie ein Stück Heimat haben. Denn die „Stuttgarter Vesperkirche“ bietet nicht eine Armenspeisung, sondern teilt Leben – wie Brot. Auf den Altären brennen die Kerzen den ganzen Tag, wie beim Gottesdienst. Dieser Dienst am Menschen – oder besser; dieses Mitleben mit Menschen –¬†ist, so verstanden, aber auch ein Gottesdienst. Und darum findet diese Aktion nicht außerhalb der Kirche, etwa in einer Lagerhalle, statt, „wo Menschen, die anders sind, gerade noch ausgehalten werden können, sondern mitten in der Gemeinde, mitten in ihrem wichtigsten Raum: ihrer Kirche“. Wie ein Gast einmal sagte: „Am schönsten an den Wochen in der Vesperkirche war, dass ihr uns nicht irgendeinen Saal angeboten habt, sondern uns in Eure Kirche eingeladen habt.“
Viele Menschen zieht dieses Projekt an: Ehrenamtliche, über 700 jedes Jahr, aber auch Gäste, die zwar nicht bedürftig sind, hier aber auch einen wichtigen Ort für sich gefunden haben und oft die Aktion „Vesperkirche“ finanziell unterstützen. Der Begriff „Vesperkirche“ weist auf zweierlei: auf den kirchlichen Abendgottesdienst, die Vesper, aber auch auf die im Schwäbischen übliche Zwischenmahlzeit, das „Veschper“ mit Brot, Wurst und womöglich Most (letzterer aber nicht in der Leonhardskirche). So berühren hier in der „Vesperkirche“ Mahl und Gottesdienst einander. Der Beginn jeder Vesperkirche wird mit einem Gottesdienst begangen, die „Gemeinschaft auf Zeit“ auch mit einem Abschlussgottesdienst aufgehoben.
Martin Friz, der evangelische Diakoniepfarrer Stuttgarts, hatte 1994 diesen Traum einer Kirche, die Lebensraum ist auch für Menschen am Rande. Er hat ihn bemerkenswert umgesetzt und beschreibt in diesem Buch (mit zahlreichen Bildern) die Geschichte der Vesperkirche mit allen ihren Lebenswelten: von der Ambulanz bis zur Spielecke, von den Haupt- und Ehrenamtlichen zu den Gästen und den Begegnungen untereinander.