Vom Mahlen des Korns und dem Ofen als Ort der Verwandlung
Der Gedenktag der heiligen Agatha am 5. Februar wie auch schon das Fest der Darstellung des Herrn („Mariä Lichtmess“) am 2. Februar, sind Tage, an denen – zumindest nach lokalem Brauch – Brot gesegnet wird. Die Hintergründe dafür sind unterschiedlicher Art und haben mit dem jeweiligen Anlass wenig zu tun. Es gibt aber auch andere Tage, die einen guten Anlass zur Brotsegnung geben; vgl. dazu den Beitrag:
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Und darüber hinaus auch einen Anlass zur Meditation über das Brot, das in unserer Liturgie und unserem Glauben eine so zentrale Rolle spielt. Auch Schriftsteller haben sich damit auf unterschiedliche Weise befasst. Der Schriftsteller Stefan Andres beispielsweise hat in den Jugenderinnerungen an seine Mosel-Heimat auch das Brot und das Korn in ihrer tiefen religiösen Symbolik beschrieben, wie sie ihm der Vater vermittelt hat:
„Also guck mal hier! Dat Korn läuft hier durch. Und dat Korn sein wir. Aus uns wird nix, wenn wir net aufgeschüttet werden. Wir rutschen all zwischen de Stein. Und die drehen sich, drehen sich! Dat hat schon alles seine Art. Und da weinen de Menschen und wollen et net einsehen. Denn siehste: dat Korn ist doch noch da, nur is et jetzt kein Korn mehr, sondern Mehl [. . .] So fein müssen wir gemahlen sein, um – um in den Himmel zu kommen, damit die Engel Brot aus uns backen für Gott! Un wenn er uns dann aufisst, werden wir Gottes Leib, so wie dat Brot dein Leib wird, wenn du et isst!“
Und den Jungen interessierte auch der Beruf des Bäckers, der wunderbaren Verwandlung wegen, an der ein Bäcker durch seine Handwerkskunst großen Anteil hat.
Ich sah Hauen Heinrich zu, wie aus seiner Hand die weichen, mehlbestäubten Bälle und Kringel, die Locken und Sterne, die Männchen und Tiere so schnell und wohlgeraten hervorgingen, wie sie auf großen Blechen in den Backofen geschoben wurden und vor allem wie sie hernach hinter dieser schwarzen, schweren Eisentür, die sich auf Schienen bewegte, vollständig neu wieder hervorkamen. Ja, wenn man sah, wie weiß und weich und platt diese Teigstückchen vorher auf dem Blech lagen und wie golden, rund und glücklich sie hinterher herauskamen, dann mußte einem der Backofen wie ein Ort der Verwandlung vorkommen, und so redete ich denn vom Backofen als vom Fegfeuer des Brotes und des Kuchens und all des anderen Gebäcks, das meist in großen Körben herumstand. (Der Knabe im Brunnen)
Vordergründig humoristisch und doch sehr hintergründig, wie es überhaupt seine Art war, hat Wilhelm Busch über das Brot geschrieben; seine Erfahrungen während der Jugendzeit, als er bei seinem Pastoren-Onkel in Ebergötzen lebte und mit dem Müllersohn Erich befreundet war, mögen da hineingespielt haben:
Er saß beim Frühstück äußerst grämlich,
Da sprach ein Krümchen Brot vernehmlich:
»Aha, so ist es mit dem Orden
Für diesmal wieder nichts geworden.
Ja, Freund, wer seinen Blick erweitert
Und schaut nach hinten und nach vorn,
Der preist den Kummer, denn er läutert.
Ich selber war ein Weizenkorn.
Mit vielen, die mir anverwandt,
Lag ich im rauhen Ackerland.
Bedrückt von einem Erdenkloß,
Macht‘ ich mich mutig strebend los.
Gleich kam ein alter Has gehupft
Und hat mich an der Nas gezupft.
Und als es Winter ward, verfror,
Was peinlich ist, mein linkes Ohr.
Und als ich reif mit meiner Sippe,
O weh, da hat mit seiner Hippe
Der Hans uns rutschweg abgesäbelt
Und zum Ersticken festgeknebelt
Und auf die Tenne fortgeschafft,
Wo ihrer vier mit voller Kraft
In regelrechtem Flegeltakte
Uns klopften, daß die Schwarte knackte.
Ein Esel trug uns nach der Mühle.
Ich sage dir, das sind Gefühle,
Wenn man, zerrieben und gedrillt
Zum allerfeinsten Staubgebild,
Sich kaum besinnt und fast vergißt,
Ob Sonntag oder Montag ist.
Und schließlich schob der Bäckermeister,
Nachdem wir erst als zäher Kleister
In seinem Troge baß gehudelt,
Vermengt, geknetet und vernudelt,
Uns in des Ofens höchste Glut.
Jetzt sind wir Brot. Ist das nicht gut?
Frischauf, du hast genug, mein Lieber,
Greif zu und schneide nicht zu knapp,
Und streiche tüchtig Butter drüber,
Und gib den andern auch was ab!«