Wer die Welt bewegt … Eine Köhler-Weisheit
Sie liegen auf einer Lichtung im Wald und betrachten den rauchenden Meiler: ein Köhler und sein sechsjähriger Sohn. Die Gesichter sind schwarz unter dem hellen Haar, das des Vaters von der Arbeit, das des Sohnes, weil er es heimlich mit Kohle eingerieben hat, um wie der Vater auszusehen.
„Die meisten von uns“, sagt der Vater zu seinem Sohn, „bleiben wie Fallholz, das der Sturm und Schnee von den Bäumen brachen. Sie liegen, wo sie gefallen sind und werden wieder zu Erde. Die Armen haben keine Flügel. Und einige sind wie der Rauch, der aus dem Meiler steigt. Die Menschen sehen ihnen nach, aber der Wind verweht sie. Aber einige sind wie das Holz, das dort unter der Erde glüht. Sie werden Kohle, und sie bewegen die Welt.“
„Und was ist das, die Welt bewegen, Vater?, fragt der Sohn.
„In der Schule werden sie dir sagen, dass es die Kaiser und Könige sind, die die Welt bewegen“, erwidert der Vater. „Aber du musst das nicht glauben. Sie werfen Steine in das Wasser, aber sie schöpfen es nicht. Sie verbrennen, aber es bleibt nur Asche unter ihren Füßen, nicht Kohle. Christus hat die Welt bewegt und viele nach ihm. Er hat Blinde geheilt und Tote auferweckt. Er hat die Herzen bewegt. Und nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt.“
Im Evangelium hören wir von zwei Jüngern, die sich Gedanken darum machten, wie sie in Gottes Reich zur Rechten und Linken Jesu sitzen können (Markus 10,35–45). Es sind natürlich zwei besondere Plätze, die die beiden Zebedäussöhne vor Augen haben – ganz vorne, gleichsam mit auf dem Thron. Zurecht werden die anderen Jünger ärgerlich, als sie vom Ansinnen der beiden hören – und auch Jesus setzt ihnen den Kopf gerade, den sie doch etwas hoch tragen.
„Ihr wisst“, sagt er, „dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“ Die Jünger brauchen nicht weit zu suchen, um ein Beispiel für einen Herrscher zu finden, der ein Diener der Menschen war, es ist Jesus selbst.
„Nur wer die Herzen bewegt, bewegt die Welt.“ Eine tiefe und wahre Erkenntnis des einfachen Köhlers, wie sie der Schriftsteller Ernst Wiechert in seinem Roman „Die Jeromin-Kinder“ erzählt. Es ist gut, sich an sie gerade in unser Zeit zu erinnern, in der so viele Rauch machen, der doch verweht; Steine ins Wasser schmeißen, es aber nicht schöpfen; denken, die Welt zu bewegen, und die Herzen doch nicht erreichen. Nicht die „Likes“ und Klicks“, die „Freunde“ und „Follower“ drücken aus, wer wirklich groß ist.
Der Monat Oktober gibt uns etliche Beispiel von Menschen, die wie Jesus Christus durch ihre Demut, ihren Mut zum Dienst, mehr in den Menschen bewegt haben als durch Macht und Gewalt. Der heilige Franziskus (4. 10.) zum Beispiel, der eine ganze Bewegung der Armut und der Hinwendung zu den Armen hervorrief; die heilige Theresia vom Kinde Jesus (1. 10.), die sogenannte„kleine Theresia“, die ein ganz einfaches Leben im Karmelkloster lebte und von der Liebe zu Gott und den Menschen durchdrungen war, bis sie mit gerade vierundzwanzig Jahren starb; der heilige Bruno (6. 10), der schon eine steile Karriere im kirchlichen Dienst gemacht hatte, bevor er sich mit Freunden in eine Einsiedelei zurückzog; der heilige Ignatius von Antiochien (17. 10), der nach der Legende das Kind war, das Jesus seinen Jüngern vorstellte, als sie sich darüber stritten, wer von ihnen der Größte sei (Matthäus 18,1–5), und der als alter Mann auf dem Weg in den Tod Trostbriefe an verschiedene Gemeinden in der Verfolgung sandte.
„Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?“, fragt Jesus die beiden Jünger? Nachfolge Jesu im Sinn seiner Hingabe ist schwer, auch wenn sie nicht blutig ist. Kaum ein Mut ist größer als der Mut zum Dienst, zur Demut. Aber mit diesem Mut kann man wahrhaft die Welt bewegen, weil man die Herzen der Menschen bewegt. – Ein Köhler-Glaube im besten Sinne.